Ein Gastbeitrag von Katharina Bacher, Autorin von "Grün macht groß", "Das blaue Ei" und "Mandeln melken" (erscheint am 25. Mai 2022).
Mittlerweile habe ich das dritte vegane Kinderbuch im Nextlevel Kinderbuchverlag geschrieben. Für mich eine große Ehre und gleichzeitig die Erfüllung eines Lebenstraums: Immer schon habe ich geschrieben und immer schon wollte ich meine Bücher in die Welt hinaus tragen.
Als Moïra im Juni letzten Jahres dann auf mich zukam - was sehr relativ ist, denn unsere gesamte Zusammenarbeit passierte bisher ausschließlich online - also, als sie mich über Instagram kontaktierte, wir anschließend ein langes und sehr inspirierendes erstes Gespräch führten, wusste ich: Hier will ich schreiben.
Der reflektierte Hintergrund des Verlags und die friedliche und gleichzeitig humorvolle Herangehensweise an so wichtige Themen überzeugten mich. Gekoppelt mit meiner eigene Geschichte als Pädagogin, der Tatsache, dass ich selbst nun schon seit einigen Jahren glücklich vegan lebe und obendrein meine große Leidenschaft zum Schreiben - all das konnte ich in einer Zusammenarbeit mit dem veganen Kinderbuchverlag verwirklichen.
Die Arbeit am ersten Buch "Grün macht groß" begann in dem Moment, als ich das Handy nach dem ersten Telefonat mit Moïra zur Seite gelegt hatte und mein Notizbuch zückte. Die Idee (ein Buch über große Pflanzenfresser) kam von Moïra, meine Gedanken füllten die Geschichte. Ich wollte Tiere zeigen, die stark und vielleicht etwas gefährlich wirkten und auf der nächsten Seite aufzeigen, dass auch so riesige und wilde Tiere "nur" Pflanzen essen und trotzdem - oder genau deshalb - zu den größten und stärksten der Welt gehören. Mein Notizbuch füllte sich. Der Wunsch, das vegane Kinderbuch in gereimter Form zu verfassen, verfestigte sich. Ein spielerischer, klanglich ansprechender und inhaltlich realitätsnaher Zugang waren mein Hauptaugenmerk.
Die Zusammenarbeit am ersten Buch zog sich über Monate - mittlerweile war auch mein Mann, Gastón, mit im Boot. Er sollte die Illustrationen dieser pflanzenfressenden Tiere anfertigen. Nicht nur am Text, auch am Stil der Illustrationen, an den Farben und Formen, am verwendeten Papier und an all den kleinen Hintergrundentscheidungen wurde lange gefeilt.
Als das vegane Kinderbuch dann fast fertig war und bald in den Druck sollte, kam ein Moment, der die Wahrnehmung meiner eigenen Sprache für immer verändern sollte.
Ich bin Österreicherin. Bin im Dialekt aufgewachsen - das erste Mal, dass ich mit deutscher Schriftsprache ("Standarddeutsch") konfrontiert wurde, war in der Grundschule. Bis dahin wusste ich nicht, dass es einen Unterschied gab zwischen dem, wie ich sprach und dem, was ich beispielsweise im Fernsehen hörte.
Mein "Standarddeutsch" verfestigte sich über die Jahre, Deutsch war immer mein Lieblingsfach. Meine Matura (Abitur) absolvierte ich u.a. im Fach Deutsch, im Studium zur Volksschullehrerin (Grundschullehrerin) legte ich meinen Fokus auf das Schreiben, die Sprache und das, was Sprache mit uns macht.
Dieser Moment nun, kurz vor Druckabgabe von "Grün macht groß", war folgender: Beim Korrekturlesen meiner Reime (die ich gefühlt hundertmal umgeschrieben, angepasst, verändert, reduziert, besprochen, ... hatte) fiel dem Korrektor etwas auf, das mir bisher nicht zu Augen gekommen war: Einige der Satzkonstellationen waren nicht "richtig". Nicht Deutschland-Deutsch. Nicht Duden-konform.
Ich konnte es kaum glauben.
Ich, die sich lebenslang mit Sprache auseinandergesetzt hatte. Ich, die bei jedem Fehlerchen in Speise- oder Visitenkarten zusammenzuckte. Ich, die als Korrekturlesende von wissenschaftlichen Abschlussarbeiten stets um Meinung gefragt wurde. Ich, die sich Kennerin der deutschen Sprache nannte. Ich hatte es bis zu diesem Moment nicht erkannt, dass meine Sprache nicht der Sprache entspricht, die in allen deutschsprachigen Ländern verstanden wird.
Kurz machte ich zu. Das konnte nicht sein. Wie sollte meine Sprache plötzlich nicht mehr richtig sein? Wie konnte ich das nicht erkennen? Wie konnte genau mir so etwas "passieren"?
Nach einigem Hin und Her sah ich, was seitens des Korrektorats und Lektorats gemeint war. Es ging keineswegs darum, mir meine Fähigkeiten abzusprechen - vielmehr sollte dieses vegane Kinderbuch vor allem deutschlandweit vertrieben werden. Wir schafften es binnen eines Tages die Stellen im Buch so anzupassen, dass sie auch über die Grenzen Österreichs hin verstanden werden konnten.
An diesem Tag wurde mir klar, welche Grenzen meiner eigenen Sprache ich hatte und bestimmt immer noch habe. Mittlerweile sehe ich diesen Moment als großes Geschenk, als nötigen Augenöffner, als wichtigen Schritt in Richtung "Sprachgrenzerweiterung".
Denn ich werde weiterhin Österreicherin bleiben und mit dieser - meinen - Sprache und Ausdrucksweise schreiben. Doch das Bewusstsein zu haben, dass diese Sprache eben auch ihre Grenzen hat, ist wahrlich ein wichtiger - denn ich will weiterhin Bücher schreiben. Bücher, die außerhalb meines Kreises verstanden, gelesen und genossen werden können.